“Das ist mir zu hoch!”
“So tief komm ich nicht!”

“Dann wechsle doch in eine andere Stimme.” – “In welche denn?”

Tja, in welche? Sacred Harp bietet einige Möglichkeiten; Männer können Bass, Tenor oder Treble singen, Frauen Tenor, Alt oder Treble. Aber worüber reden wir hier eigentlich, was bedeutet es, wenn eine Frau vom Alt in den Tenor geht oder ein Mann vom Tenor zu den Trebles? Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, sehen wir es uns an.


Links die tiefen Töne, rechts die hohen. Weiter links die Männer, weiter rechts die Frauen. Wenn ihr die sexistisch gefärbten Pfeile betrachtet, seht ihr, dass es für jedes Geschlecht akustische “No Go Areas” gibt. Für die Kerls kein Problem, die hüten sich von selbst, in den ganz hohen Lagen rumzupiepen. Aber die Mädels haben eine “Problemzone”. Ja, noch eine. Lest weiter, wir kommen gleich dazu.

Was bedeuten die abgerundeten Balken? Ganz einfach – singt ein Mann im Treble mit, dann tut er das eine Oktave (acht Töne) tiefer als die Damen neben ihm. Eine Frau singt den Tenor üblicherweise eine Oktave höher als die Männer, es sei denn, sie hat eine außergewöhnlich tiefe Stimme. Sehr selten.

Viele Sing-Ungeübte laufen hier in eine Falle. Sie machen die ersten Gehversuche mit der Stimme, an die sie ihr Leben lang gewöhnt sind, mit ihrer Sprechstimme nämlich. Im stillen Kämmerlein geht das gut und fühlt sich bequem an, aber in einer vierstimmigen Gruppe gehen sie damit völlig unter. In diesem Bereich hat die menschliche Stimme keinen Druck; die richtige Power kommt erst eine ganze Oktave (acht Töne) höher. Betrachten wir das folgende Diagramm (geklaut aus “Musik im Kopf” von Manfred Spitzer).

Es lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Laut geht nur hoch, und hoch geht nur laut. Das üben wir gleich, Geduld.

Vorher, wie angedroht, zur Problemzone der Mädels:

Sehen wir uns das Bild ganz oben a… ach, hier ist es nochmal.

Die Tenorstimme in der Männerlage (zweiter Balken von unten, orange) ist für fast alle Frauen ungeeignet, denn sie reicht in die linke No Go Area hinein. Sie ist für Frauen allein im Wohnzimmer bequem, aber in der Gruppe unhörbar. Die Tenorstimme in der Frauenlage (grün) hingegen liegt im selben Bereich wie der Treble, also noch ca. eine halbe Oktave höher als der Alt, sie geht ans obere Limit; nicht jederfraus Sache. Die meisten Frauen (ca. 80%) sind natürliche Alt-Sängerinnen, zumindest am Anfang. Bei manchen ändert sich das mit der Übung, sie können mit der Zeit höher singen. Und vielleicht gehörst du zu den restlichen 20%. Wechsle zwischen Alt und Tenor, probiere es aus. Wenn du dabei den Tenor bequem tief findest, dann machst du etwas ganz entscheidendes falsch und gehörst in den Alt. Auch wenn er dir anstrengend hoch erscheint.

Alles klar? Dann machen wir jetzt eine Übung und lesen uns die folgende Zeile vor. Sprecht mir nach:

“Bla bla bla.”

Jetzt dasselbe auf “Fa”:

“Fa Fa Fa.”

Jetzt nehmen wir eines dieser “Fa”s, ziehen es in die Länge, versuchen dabei, lauter zu werden, aber die Tonhöhe beizubehalten:

“Faaaaaaaaaah.”

Naja, sehr laut war das nicht, oder? Also klettern wir, von diesem “Fa” ausgehend, die Tonleiter hoch, bis zum übernächsten “Fa”:

Fa → So → La → Fa → So → La → Mi → Faaaa”

Das letzte “Fa” fühlt sich hoch an, nicht wahr? Egal, wir atmen tief, setzen in derselben Höhe noch einmal an und werden laut. Na los, Druck:

FAAAAAAAAAH!!

Da ist die Power. Und darüber gehen auch noch ein paar Töne, bestimmt vier oder fünf. Bei manchen mehr. Probiert es aus, auch wenn die Katze komisch kuckt und die Nachbarn klopfen.

Das nächste Bild ist “Hardcore” für Fortgeschrittene. Hier könnt ihr auf der linken Seite die Bereiche der einzelnen Stimmen und die Lage der Anfangstöne an einem realen Beispiel sehen. Wenn ihr darauf klickt, seht ihr es größer. Eventuell lohnt es sich, eine Weile darüber zu meditieren.